Das Swiss Medical Board hat seine Aktivitäten eingestellt.

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Systematische Frührehabilitation auf der Intensivstation: bescheidener Nutzen, bescheidene Kosten

Der Aufenthalt auf einer Intensivpflegestation bedeutet für einen Patienten eine grosse Belastung; oftmals bleibt sein Gesundheitszustand noch monatelang eingeschränkt. Mit verschiedenen Formen der Rehabilitation wird versucht, die Erholung der betroffenen Patienten zu beschleunigen. In seinem neuesten Bericht vergleicht das Swiss Medical Board (SMB) die «systematische Frührehabilitation» als häufigste Form der Rehabilitation mit den übrigen Formen. Der Bericht kommt zum Schluss, dass eine Rehabilitation aus Sicht der Patienten grundsätzlich wünschbar sei. Zwar würden die Studien für alle Formen nur einen bescheidenen Nutzen zeigen, doch aufgrund der geringen Risiken und der geringen Kosten dürfen die systematische Frührehabilitation auch weiterhin angewandt werden.

In der Schweiz werden jährlich rund 80‘000 Personen auf einer Intensivpflegestation (IPS) behandelt; mehr als zwei Drittel davon werden notfallmässig hospitalisiert, die übrigen meist nach einer grossen Operation. Durchschnittlich verbringen die Patienten zweieinhalb Tage auf der IPS; in schweren Fällen kann der Aufenthalt auch mehrere Wochen oder sogar Monate dauern. Nach einer IPS-Behandlung ist in der Regel eine lange Erholungszeit nötig. Patienten berichten häufig über Muskelschwäche, Verwirrtheitszustände und Müdigkeit. Die Rückkehr zur vollen Funktionsfähigkeit im täglichen und beruflichen Leben benötigt unter Umständen Monate.

Zur Verbesserung der langfristigen Ergebnisse kommt eine Rehabilitation auf der Intensivstation in Frage; sie gilt allgemein als eine Intervention, die mit geringem Risiko und niedrigen Kosten verbunden ist. Die Rehabilitation kann entweder systematisch (d.h. bei allen Patienten) und früh (definiert als Beginn innerhalb von 7 Tagen nach der Aufnahme) oder aber nicht-systematisch (d.h. je nach Zustand des einzelnen Patienten) und früh oder spät erfolgen. Der Vorteil einer systematischen Frührehabilitation wird darin gesehen, dass ein standardisierter Beginn bei allen in Frage kommenden Patienten auf eine subjektive Einschätzung der Notwendigket ausschliesst und daher mehr Patienten davon profitieren könnten. Der mögliche Vorteil einer weniger systematischen Frührehabilitation liegt darin, dass die Rehabilitation besser an die Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst werden kann.

Bisher war jedoch unklar, ob eine systematische Frührehabilitation im Vergleich zu einer nicht- systematischen Früh- oder Spätrehabilitation Vorteile bringt. Zur Beantwortung dieser Frage gab das Swiss Medical Board (SMB) einen HTA-Bericht in Auftrag; dieser fasst die Resultate von klinischen Studien und von gesundheitsökonomischen Analysen zusammen und stützt sich zusätzlich auf die Einschätzung von Chefärzten in Schweizer Intensivstationen.

Insgesamt gab es in den 12 berücksichtigten Studien nur minimale oder gar keine Hinweise auf einen Nutzen oder eine sinnvolle klinische Relevanz einer systematischen gegenüber einer weniger systematischen Frührehabilitation. Hingegen kann eine systematische Frührehabilitation vorteilhafter sein als eine Spätrehabilitation. Die Befragung der Chefärzte zeigte markante Unterschiede in der Beurteilung des Nutzens der Rehabilitation auf den Intensivstationen; dies spiegelt die Heterogenität wider, wie sie auch in den Studien berichtet wird.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass sowohl Nutzen als auch Schaden der verschiedenen Rehabilitationsformen gering sind und insgesamt wenig klinische Relevanz haben.
Aufgrund des Mangels an verfügbaren Daten war eine gesundheitsökonomische Analyse nur eingeschränkt möglich. Die erforderlichen Ressourcen sind jedoch im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines IPS-Aufenthaltes niedrig; dies gilt für alle Rehabilitationsformen.

Der Bericht geht davon aus, dass ein aufgrund der Rehabilitation allfällig verbesserter Gesundheitszustand von den Patienten positiv eingeschätzt werde. Da die Frührehabilitation auf der Intensivstation in der Schweiz sowohl akzeptabel als auch machbar sei, gebe es auch in Zukunft keinen Grund, davon abzuraten.