Das Swiss Medical Board hat seine Aktivitäten eingestellt.

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Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels: unnötig und kostenintensiv

Aufgrund der ungenügenden Sonneneinstrahlung besteht in der Schweiz weit verbreitet ein Vitamin-D-Mangel. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen empfiehlt deshalb die regelmässige Einnahme von Vitamin D. Gemäss den Empfehlungen braucht es dazu vorgängig keine Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels im Blut. Trotzdem ist die Zahl dieser Laboruntersuchungen in den letzten Jahren stark angestiegen. Eine im Auftrag des Swiss Medical Board durchgeführte Studie kommt zum Schluss, dass die Mehrzahl dieser Tests unnötig sind und möglicherweise einen Fall von medizinischer Überversorgung darstellen.

Vitamin D ist wichtig für eine gesunde Knochenbildung; es fördert die Aufnahme von Kalzium im Darm und sorgt für dessen Einbau in die Knochen. In der Nahrung hat es nur wenig Vitamin D; es wird vor allem in der Haut gebildet, wenn diese der Sonne ausgesetzt ist. Aufgrund der geographischen Lage der Schweiz und der damit verbundenen ungenügenden Sonnenbestrahlung haben rund 60% der Bevölkerung in den Wintermonaten eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung. Aus diesem Grund empfiehlt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) allen Personen die tägliche Einnahme von Vitamin D. Gemäss Studien kann dadurch das Sturz- und Hüftbruchrisiko, vor allem bei älteren Menschen, um bis zu 30% reduziert werden. Die Einnahme von Vitamin D ist gut verträglich und stellt bei über 97% der Bevölkerung sicher, dass kein Mangel auftritt.

Gemäss den Empfehlungen des BLV ist eine routinemässige Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels unnötig. Eine Laboruntersuchung ist allenfalls bei Risikogruppen angezeigt, z.B. bei älteren, stark übergewichtigen oder dunkelhäutigen Menschen, bei denen der Vitamin-D-Mangel stärker ausgeprägt sein kann; in allen anderen Fällen ergibt ein Test keinen Mehrwert. Dennoch gab es in den letzten Jahren Hinweise, dass die Zahl dieser Laboruntersuchungen markant zunimmt. Dies hat das Swiss Medical Board veranlasst, beim Institut für Hausarztmedizin und Community Care Luzern (IHAM&CC) eine Studie in Auftrag zu geben, die mehr Klarheit schaffen sollte. 

In Zusammenarbeit mit der Krankenversicherung SWICA analysierten die Forscher die Versichertendaten von 200’043 Patienten im Jahr 2015 und jene von 200’046 Patienten im Jahr 2018. Dabei zeigte sich, dass der Vitamin-D-Spiegel im Jahr 2015 bei 14% aller Versicherten bestimmt wurde, im Jahr 2018 sogar bei 20%; dies bedeutet einen Anstieg von fast 50%. Bei den Versicherten im Alter von 26-30 Jahren betrug der Anstieg in diesem Zeitraum sogar 69%. Die Studie stellte zudem fest, dass der Test bei jenen Versicherten häufiger durchgeführt wurde, die eine niedrige Franchise hatten, die eine Zusatzversicherung besassen oder die in der Stadt wohnten.

Studien aus anderen Ländern haben über ähnlich hohe Zahlen berichtet. In Australien zum Beispiel nahmen die Vitamin-D-Tests zwischen 2000 und 2010 um 59% pro Jahr zu. Auch in Grossbritannien stieg die jährliche Zahl der Tests zwischen 2008 und 2016 stark an; die Autoren dieser Studie gingen davon aus, dass 70-80% dieser Tests unnötig waren. 

Hochgerechnet auf die gesamte Schweiz beliefen sich 2018 die Kosten für die Vitamin-D-Messung auf rund 90 Millionen Franken. Die Forscher bezeichnen die Kosten für diesen diagnostischen Test als sehr hoch, vor allem auch im Vergleich zu anderen, wichtigeren Tests; aus ihrer Sicht handelt es sich möglicherweise um einen Fall von medizinischer Über- bzw. Fehlversorgung. Eine zusätzliche Brisanz erhalten diese Zahlen durch die Ergebnisse der vor kurzem veröffentlichten «Do Health»-Studie, wonach die Vitamin-D-Gabe keine signifikante Verbesserung in Bezug auf Knochenbrüche, Bein- und Gedächtnisfunktion bringt.

Die Studie kann unter https://bmchealthservres.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12913-020-05956-2 eingesehen werden.

Das Zentrum für Versorgungsforschung der Helsana-Versicherungen ist in einer kürzlich publizierten Studie zu ähnlichen Resultaten gekommen: siehe PDF.